Feedback zum Massnahmenpaket des ÖSV
Der Österreichische Skiverband hat nach den Meldungen zu sexualisierter Gewalt im Skisport heute erstmals konkrete Schritte angekündigt. Hier unser detailliertes Feedback zum Massnahmenpaket des ÖSV.
ÖSV setzt mit Expertenteams auf Aufklärung, Analyse und Prävention
Presseaussendung im Auftrag des ÖSV (OTS) 11.1.2018
Rasch handeln mit bereits bestehenden Konzepten
Wir freuen uns, dass im Bewusstsein für die Problematik Maßnahmen diskutiert werden. Allerdings sollte rasches Handeln im Vordergund stehen. Es gibt bereits gut ausgearbeitete Programme für Sporttrainer zur Prävention von und Hilfe bei Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt in der Praxis. Andere Sportverbände in Österreich und in anderen Nationen haben sie bereits erfolgreich in die Trainer-Ausbildung und den Trainingsbetrieb etabliert.
Man muss hier nichts neu erfinden, sondern umgehend die vorhandenen Empfehlungen umsetzen.
Nicht nur im Spitzensport
Wir haben die letzten Wochen genützt, um in vielen Gesprächen einen klaren und koordinierten Weg zu finden. Der ÖSV stellt sich dieser Verantwortung. Unser Ziel ist es, unseren SpitzenathletInnen, TrainerInnen und BetreuerInnen die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu geben, um erfolgreich sein zu können.
PA ÖSV 11.1.2018
Der ÖSV ist sich offenbar seiner Gesamt-Verantwortung als Fachverband nicht bewusst. Spitzensport ist nur ein Teil, des in den Satzungen festgelegten Vereinszwecks.
Struktur & Funktionäre
„Mit über 1100 Vereinen, in denen ca. 141.000 sportbegeisterte Mitglieder aller Altersgruppen organisiert sind, ist der Österreichische Skiverband einer der größten Sportfachverbände Österreichs. Gemäß der Satzung des Österreichischen Skiverbandes ist die Tätigkeit des ÖSV nicht auf Gewinn ausgerichtet, sondern auf die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke.
Hauptziel des Verbandes ist die Förderung des aktiven Wintersports zum allgemeinen Wohl, zur körperlichen Ausbildung sowie als wesentlicher Beitrag zur Gesundheit.“
https://oesv.at/deroesv/struktur/index.php
- Jeder, in Österreich im Rahmen des Skisports – mit Ausnahme des Berufs-Skilehrwesens – tätige Trainer & Skiinstruktor, durchläuft eine Ausbildung nach Kriterien des ÖSV, die von der Bundessportakademie durchgeführt wird.
- In skispezifischen Schulen sind in der Regel nur Trainer mit entsprechender Ausbildung durch den ÖSV tätig.
ÖSV ist auch für Nachwuchsbereich zuständig
Nachwuchsläufer, die an Skirennen teilnehmen möchten, müssen Mitglied im ÖSV sein. Bei Minderjährigen müssen Eltern sogar in der Regel einen, in der FIS bzw. dem ÖSV einheitlichen, Haftungsverzicht unterzeichnen, sobald Kinder in einen Kader aufgenommen werden sollen.
Wenn der ÖSV Vorfälle in Zukunft weitgehend ausschließen möchte, muss sich die Verbandsleitung der Verantwortung für alle Ebenen eines Fachverbands bewusst werden.
Sofortmassnahmen aufgrund der aktuellen Ereignisse
- Die Vorlagepflicht für einen Strafregisterauszug im Hinblick auf Sexual- und Gewaltdelikte für alle Trainer und Betreuer auf allen Leistungsniveaus, fehlt im Massnahmenpaket.
- Als Fachverband hätte der ÖSV auch die Aufgabe sofort Massnahmen zu ergreifen, wenn ein, wegen eines angezeigten Delikts, suspendierter Trainer/Betreuer bis zur rechtlichen Klärung in einer anderen Institution oder in einem anderen Bundesland wieder eine Position/Anstellung erhält.
Der ÖSV muss sofort alles daran setzen um allen Opfern im Verbandsumfeld Hilfe anzubieten.
Es ist nicht notwendig das Rad neu zu erfinden
Laut Presseaussendung hat Schröcksnadel ExpertInnen eingeladen, Vorschläge zu erarbeiten, die auch anderen österreichischen Sport- Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden.
Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wirksame Massnahmenpakete bereits erarbeitet und in anderen Sporteinrichtungen schon umgesetzt werden. Zum Beispiel hat sich der Volleyballverband an den Präventionsvorschlägen von 100% Sport orientiert und ein Sofortmassnahmenpaket umgesetzt. Chris Karl ist bereits laufend in Skisporteinrichtungen – Schulen, Vereine, Verbände – tätig um SportlerInnen, Eltern, Trainer & Betreuer aufzuklären und zu unterstützen.
In Österreich ist man bereits gut aufgestellt. Andere Sporteinrichtungen setzen Massnahmen bereits um. Anstatt der Bestrebung eine Vorreiterrolle einnehmen zu wollen, wäre ein spartenübergreifender Austausch zweckmässiger. Eine Vernetzung mit bereits bestehenden Einrichtungen wäre eine rasche und effektive Massnahme.
Zeitfaktor
Zur Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch, wurde von Waltraud Klasnic ein Expertenbeirat eingerichtet, der unter anderem die Behandlung der konkreten Fälle, die bis 31. Mai 2018 gemeldet werden abdecken soll. Der Erhebungs-Zeitrahmen ist erfahrungsgemäss zu kurz. Meldungen über weiter zurückliegende Fälle von betroffenen aktiven AthletinnenInnen während oder zeitnah der/zur Wettkampfperiode sind naturgemäß kaum zu erwarten.
Anlaufstelle für Betroffene
Wie schon öfter betont, wollen wir die Integrität von Frau Klasnic nicht in Frage stellen. Wir wissen allerdings aus zahlreichen eingehenden Meldungen und einem Austausch mit Experten, dass es für Betroffene in einer Organisation aus Vertrauensgründen meistens schwierig ist, die selbe Organisation um Hilfe zu fragen. Zudem ist eine telefonische Meldehotline über einen privaten Mobiltelefonanschluss unprofessionell.
Etablierte Organisationen bieten geschulte Ansprechpartner an allen Tagen rund um die Uhr an. Sämtliche eingehenden Meldungen müssen automatisch protokolliert werden.
Zusammenfassung: Feedback zum Massnahmenpaket des ÖSV
Obwohl über den Vorwurf von Frau Werdenigg hinaus keiner der in der Öffentlichkeit genannten Fälle den ÖSV direkt betrifft, sieht der Skiverband das allgemeine Problem und will dazu einen wichtigen, nachhaltigen Beitrag leisten, da auch wir mögliche Vorfälle für die Zukunft ausschließen wollen.
Es geht im Zusammenhang mit allen angesprochenen Vorfällen, insbesondere den aktuellen, nicht um Spitzenleistungen sondern einzig um die Etablierung bereits gut entwickleter Massnahmen gegen Machtmissbrauch & sexualisierte Gewalt. Der ÖSV muss Sofort-Massnahmen ergreifen um Opfern umgehend Hilfe anzubieten. Sich hier aus der Verantwortung zu ziehen ist inakzeptabel.
Nicola Werdenigg & Chris Karl