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Hilfe für Langläuferinnen aus Oberösterreich

Hilfe für betroffene SkiathletInnen aus Oberösterreich

Nach dem Outing einer ehemaligen Langläuferin, die angab in den 1990er-Jahren von ihrem oberösterreichischen Trainer missbraucht worden zu sein, meldete sich nun eine weitere Betroffene sexueller Gewalt dieses Mannes bei den OÖNachrichten. Hilfe für mögliche weitere betroffene SkiathletInnen aus Oberösterreich gibt es von #WeTogether in Kooperation mit dem Gewaltschutzzentrum Oberösterreich und der Landesfachstelle „Safe Sport“ in Salzburg.

Für telefonische Kontaktaufnahme von Betroffenen steht Nicola Werdenigg zur Verfügung

+43 676 9581237

Ermittlungen aufgenommen

Die öffentlichen Äußerungen der beiden ehemaligen Langläuferinnen rufen nun auch die Polizei auf den Plan. „Wir haben die Ermittlungen aufgenommen“, sagt Landespolizeichef Andreas Pilsl gegenüber den Oberösterreichischen Nachrichten. Sport-Landesrat Markus Achleitner schrieb in einer Aussendung: „Es ist bereits eine Sachverhaltsdarstellung an die Polizeibehörden in Oberösterreich ergangen, damit diese Ermittlungen aufnehmen. Ebenso ergeht das Ersuchen an das Bundesheer diese Vorwürfe dienstrechtlich zu prüfen. Denn der betroffene Trainer ist im Heeresleistungssportzentrum Linz tätig.“

„Keinerlei Toleranz“: Sportlandesrat schaltet Polizei und Bundesheer ein OÖN, 11. März 2019 – 14:45 Uhr

Neue Anlaufstelle in Linz

Im Olympiazentrum Linz stehen mit Mag. Stefan Aigner – Sportpsychologe, klinischer und Gesundheits-Psychologe –  sowie Mag. Valerie Teufl – Sportkoordinatorin, Verein Talentezentrum, österreichische Volleyball- und Beachvolleyballspielerin – ab sofort zwei fixe Ansprechpersonen für alle Sportlerinnen und Sportler sowie Trainerinnen und Trainer zur Verfügung.

Hotline für Oberösterreich zur Hilfe und Beratung bei sexueller Gewalt im Sportbereich

Ansprechpersonen

Mag. Stefan Aigner

+43 664 6007276168

office@mental-stark.at

Mag. Valerie Teufl

valerie.teufl@talentezentrum-ooe.at

Zahlen zu Machtmissbrauch im Sport

Zahlen zu Machtmissbrauch im Sport

Ein Überblick über ein kontrovers diskutiertes Thema mit Zahlen zu Machtmissbrauch im Sport

Mit dem Verein #WeTogether zur Prävention von Machtmissbrauch im Sport wurde eine Anlaufstelle geschaffen, die Betroffene telefonisch oder via Kontaktformular auf WeTogether.at erreichen können. Bei Mitgründerin Nicola Werdenigg persönlich gingen ebenso Kontaktaufnahmen auf allen möglichen Kanälen ein. Nun liegen die ersten Zahlen auf dem Tisch. Auch der vom WEISSEN RING betriebene Opfer-Notruf 0800 112 112 erfasst seit November 2017 das Thema „Machtmissbrauch im Sport“ als eigenständige Kategorie.

Analyse der Meldungen in Zahlen

Vom 20.11.2017 bis 2.7. 2018 gingen bei Nicola Werdenigg persönlich bzw. ab 20.1.2018 auch via Kontakt-Formular auf WeTogether.eu insgesamt 114 Meldungen ein und wurden erfasst.

  • 43 Meldungen stammten aus dem Sport
  • davon 25 von Betroffenen selbst
  • 18 von Angehörigen, Kolleg*innen und Zeug*innen.
  • Die übrigen 71 Kontaktaufnahmen verteilten sich auf andere Themen (43) oder sie waren zu vage, um weiter verfolgt werden zu können (28).

Meldungen, die sich auf „Missbrauch im Sport“ bezogen

Meldungen aus dem gesamten Zeitraum 1968 bis 2017

Der früheste Zeitpunkt, zu dem Tatvorwürfe erhoben wurden, ist 1968, der späteste 2017. Tatvorwürfe finden sich in allen Jahrzehnten dazwischen.

Schwerpunkt Ski Alpin und Nordisch

Mehr als 80% der Meldungen aus dem Sport, können dem Bereich Leistungssport Ski Alpin und Nordisch zugeordnet werden. Rund 55 % der mutmaßlich Betroffenen erlebten die gemeldeten Vorfälle in skisportspezifischen Schulen, rund 41% in ÖSV-Nationalkadern Alpin, rund 7% im ÖSV-Kader Nordisch.

Von Vergewaltigung über Stalking bis zu psychischer Gewalt

Die Tatvorwürfe reichen von Gruppenvergewaltigung, Vergewaltigung, Missbrauch von Kindern bis 14 Jahren, Sex mit schutzbefohlenen Minderjährigen über Stalking, Sexismus, psychische Gewalt bis zu ungerechtfertigten Wettkampfsperren. Davon sind insgesamt 34 Personen als mutmaßliche Betroffene namentlich bekannt.

Statement Opfernotruf Weisser Ring

Beim Opfer-Notruf 0800 112 112 wurden im Zeitraum 24.11.2017 bis 2.7.2018 insgesamt zwölf Anrufe zum Thema „Machtmissbrauch im Sport“ registriert.

Die Betroffenen wurden telefonisch betreut und an zuständige Beratungsstellen weitervermittelt. Es ging dabei um unterschiedliche Problemstellungen, von der Organisation von Krisenintervention bis hin zur Weitervermittlung an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Prüfung einer eventuellen Verjährung.

Nur mit ausdrücklicher Zustimmung von Betroffenen

Zu dieser Zahl ist festzuhalten, dass Anrufe Betroffener nur dann der Kategorie „Machtmissbrauch im Sport“ zugeordnet wurden, wenn die Anrufenden dem ausdrücklich zustimmten. Betroffene, die einer Registrierung nicht zustimmten, begründeten ihre Ablehnung damit, alte Wunden nicht wieder aufreißen lassen zu wollen. Betroffene möchten sich nicht dem Risiko aussetzen, dass ihnen nicht geglaubt wird und sie in der Öffentlichkeit diffamiert werden.

Bedenken von Betroffenen

Generell befürchten viele Verbrechensopfer, dass ihnen nicht geglaubt und ihnen Mitschuld bzw. Mitverantwortung zugeschrieben wird. Beim aktuellen Thema kommt dazu, dass sich viele Betroffene aus dem Bereich des Sports diesem nach wie vor eng verbunden fühlen und den Ruf „ihrer“ Sportart nicht beeinträchtigen möchten.

Hohe Dunkelziffer zu erwarten

Es ist zu befürchten, dass es sich bei diesen Zahlen nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Denn generell ist aus Sicht der Viktimologie gerade bei Verletzungen der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Das belegen zahlreiche Untersuchungen.

So kommt eine österreichische Prävalenzstudie zur Gewalt an Frauen und Männern (Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien) aus dem Jahr 2011 zu dem Ergebnis, dass drei Viertel aller Frauen in ihrem Leben sexuelle Belästigung erlebt haben (74,2%), nahezu ein Drittel aller Frauen sexuelle Gewalt erfahren hat (29,5%).

Beim Tatbestand der Vergewaltigung wird von einer Dunkelziffer 1:11 ausgegangen. Das bedeutet, dass auf jede Vergewaltigung, die angezeigt wird, 11 Vergewaltigungen kommen, die den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt werden. Auch im Bereich des Machtmissbrauchs im Sport muss davon ausgegangen werden, dass es ein breites Dunkelfeld von Übergriffen gibt, die nie angezeigt und auch nicht gemeldet worden sind.

Opfer-Notruf 0800 112 112

Der Opfer-Notruf ist eine kostenlose Hotline, die täglich rund um die Uhr erreichbar ist. Der Opfer-Notruf ist Anlaufstelle für alle Themen rund um Kriminalität aus dem Blickwinkel von Opfern. Besonders geschulte Jurist/inn/en und Psycholog/inn/en stehen für entlastende Gespräche jederzeit gerne zur Verfügung.

Der Opfer-Notruf 0800 112 112 wird vom Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz finanziert und vom WEISSEN RING Verbrechensopferhilfe seit über 10 Jahren betrieben.

Der WEISSE RING ist die einzige Opferhilfe-Einrichtung, die österreichweit Opfern von jeder Art Kriminalität zur Verfügung steht.
Weisser Ring Österreich

Schlussbemerkung Nicola Werdenigg

Mir persönlich ist es ein ganz wichtiges Anliegen, darauf hinzuweisen, dass mein Engagement nicht darauf gerichtet ist, gegen einen einzelnen Sportverband vorzugehen, sondern für junge Menschen die Freude an Bewegung durch eine respektvolle Atmosphäre zu bewahren.

Hilfe für Betroffene

Neben den 25 Betroffenen, die direkt Kontakt mit mir aufgenommen hatten, wurden auch in sechs Fällen spätere Gespräche mit von Angehörigen gemeldeten Betroffenen geführt, bzw. wurden Ansprechpartner – Therapeuten, Rechtsbeistand, zuständige Polizeidienststellen und die Kommission des Landes Tirol – vorgeschlagen.

Der #MeToo Effekt

In allen persönlichen Gesprächen ging es den Betroffenen darum, ihre Erlebnisse zu schildern (viele zum ersten Mal) und Verständnis zu finden. Das Vertrauen in eine Person, die selbst ähnliches erlebt hat und die Sportstrukturen kennt, spielt dabei eine große Rolle.

Therapie und Verständnis

Niemand stellte Überlegungen nach finanzieller Entschädigung an. Es wurde oftmals versichert, dass alleine „darüber Reden können“ das Wertvollste sei. Hier besteht noch großer Bedarf an Aufklärung über therapeutische Möglichkeiten und ihre Finanzierung.

Dunkelziffer

Ausgehend von der deutschen Studie „Safe Sport“, wonach jede(r) dritte Leistungssportler*in zumindest einmal sexualisierten Machtmissbrauch im Karriereverlauf erlebt und eine/r von neun Befragten schwere und/oder länger andauernde sexualisierte Gewalt im Sport erfahren hat, erscheint die Zahl der Menschen, die sich gemeldet haben und über Vorfälle sprachen, die sich in einem Zeitraum von 50 Jahren zugetragen haben sollen, gering.

Scham und Angst über erlittene sexualisierte Gewalt zu sprechen ist unter Athlet*innen stark vorhanden. Im Sport sollte man stark sein und auch als Frau „seinen Mann stehen“. Für betroffene Männer ist es deshalb noch schwieriger über ihre schlimmen Erfahrungen zu reden.

Viele Betroffene sprachen von Angst: Einerseits, dass ihnen nicht geglaubt würde und andererseits vor Stigmatisierung oder gar wirtschaftlichen Repressalien.

Enttabuisierung des Themas sexualisierter Machtmissbrauch

Letztendlich hat meine Entscheidung, die persönlichen Erfahrungen öffentlich zu machen, in mehrfacher Hinsicht Wirkung gezeigt. Ähnlich wie in England und im Bereich des dort populären Fussballsports wurde in Österreich im Kontext des „National-Sports“ Ski eine breite Debatte zum Thema sexualisierter Machtmissbrauch initiiert.

Offene Fragen und Lösungen

In der Öffentlichkeit wurde das Thema polarisierend zwischen meiner Person und dem Österreichischen Skiverband abgehandelt.

Mein Motiv: Die Frage, wie Präventionsmaßnahmen noch besser in österreichischen Sportstrukturen kommuniziert, etabliert und umgesetzt werden können, trat dabei in den Hintergrund.

Umso wichtiger erscheint die Vernetzung bereits bestehender externer Anlaufstellen und vor allem eine unabhängige wissenschaftliche Studie, die Strukturen untersucht und Zahlen & Fakten liefert.

Mit dem Verein #WeTogether zur Prävention von Machtmissbrauch im Sport, wollen wir vor allem die Vernetzung und Aufklärung unterstützen. Es gibt bereits Kooperationen mit bestehenden Einrichtungen, Sporverbänden & -vereinen und ein Rohkonzept für eine europaweite Kommunikationsplattform.

Ruinierte Lebensziele

Ruinierte Lebensziele

Ruinierte Lebensziele werden, wenn überhaupt, in der Öffentlichkeit nur als Nebenerscheinung von Machtmissbrauch in Sportsystemen wahrgenommen. Dabei sind die geplatzten Träume von der Sportkarriere für die Betroffenen oft noch traumatischer als Gewalt und sexuelle Übergriffe.

Totale Institution Spitzensport

Spitzensport weist starke Parallelen mit totalen Institutionen auf, wie in Kinder- und Altenheimen, Klöstern, Gefängnissen oder bei der Besatzung von Schiffen. Sukzessive vereinnahmende Entwicklungen im Verlauf der sportlichen Laufbahn erfahren auch Athleten, die von frühester Kindheit in den Leistungssport eingebunden sind. Am erzwungenen Ende der Sportkarriere stehen viele AthletInnen auch vor dem Verlust ihres sozialen Netzwerks, mit über viele Jahre aufgebauten und gepflegten Beziehungen.

Isoliert im Leistungssport

Das ständige Training hatte negative Auswirkungen auf meine frühe Jugend. Ich hatte nie die Gelegenheit, echte Freundschaften zu schließen. Die engsten Bindungen hatte ich zu anderen Eiskunstläufern, meiner direkten Konkurrenz. In einem Sport, der so sehr von fanatischen Eislaufmamas, erfolgsorientierten Trainern und manipulierten Kindern dominiert wird, sind echte Freundschaften einfach nicht möglich. Man kann nicht wirklich über seine Gefühle und Sorgen sprechen, da es immer über die Kinder an die Eltern und damit an die Trainer geht. Im Normalfall fühlt und grübelt man aber eh nicht viel, weil das gesamte Denken von klein auf so sehr auf den Sport gedrillt wird, dass nicht anderes als der Erfolg zählt.

Angst, Disziplin und Gehirnwäsche: Ein Sadist sollte mich zur Eisprinzessin machen. Nachlesen auf VICE SPORTS

Reden und Verstehen

Kein Einzelfall und trotzdem ist Jede(r) auf ihre/seine ganz individuelle Art betroffen. Wut, Trauer, Ohnmacht und das Gefühl darüber reden zu wollen. Mit Menschen die das verstehen können, weil sie selbst durch Sportsysteme gelitten haben.

#WeTogether Forum für Betroffene

Unser Forum wird gerade auf einer professionell verschlüsselten Internet-Adresse eingerichtet. Betroffene können sich schon jetzt anmelden. Alle eingehenden Anmeldungen werden von uns persönlich geprüft und manuell zum nicht öffentlich sichtbaren Forum hinzugefügt.

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